„Tradition triff urbanen Zeitgeist“

Die Geschichte: 100 Jahre Tradition neu interpretiert

Historische Zeit bis Funktionsverlust

Der mitten im Herzen Gladbecks gelegene Jovyplatz wurde nach dem ersten Oberbürgermeister Dr. Michael Jovy benannt, in dessen Amtszeit (1918 bis 1931) die den Platz säumenden Behördengebäude und Wohnhäuser erbaut wurden. Zusammen mit dem Amtsgericht und dem Polizeiamt gehört das 1923 fertig gestellte Gebäude des ehemaligen Finanzamtes zum historisch bedeutsamen Gebäudeensemble am Jovyplatz und schließt den direkt davor liegenden Jovypark zum Norden hin ab.

Ein Zeugnis dominanter Ordnung und geradliniger Struktur: die am Kopf des Jovyparks herum postierten, imposanten Verwaltungsgebäude der Polizei (links), der Finanzverwaltung (Mitte) und des Amtsgerichtes (rechts). Unten rechts ist das Kaiser-Wilhelm-Bad postiert.

Die neuen Verwaltungsgebäude prägen und begleiten den Prozess der Verstädterung Gladbecks, der seit der Jahrhundertwende im Zuge der Kohleförderung auch in Gladbeck einsetzt. Mit seiner Erbauung dient das Finanzamt jetzt für knapp acht Jahrzehnte seinem eigentlichen Zweck. Die Finanzverwaltung Gladbecks beschäftigte in der Hochzeit mehr als 130 Beamte und Mitarbeiter. Und so, wie sich der gesellschaftliche Wandel vollzieht und in immer kürzeren Rhythmen von neuen Technologien und neuen Prozessen begleitet wird, verändert sich auch das Gebäude. Immer wieder.

Was sich nicht ändert ist der grundsätzliche Charakter des Gründerzeitgebäudes. Bis heute. Seit 1985 steht das Gebäude unter Denkmalschutz und steht gemeinsam mit seinen Nachbargebäuden beispielhaft für die neoklassizistische Strömung in der Architektur der Neuzeit. Klare Linien, einfache Formen und eine strukturierte Gliederung bilden das Grundgerüst und zeugen gemeinsam mit Vorplatz und Park von einer so auch beabsichtigten, dominanten Ordnung.

Finanzamt in den 1920ern

kreativAmt in den 2020ern

Neuzeit: Über die Krise zu neuen Chancen

Seit 1923 stand das Gebäude im Dienst der Finanzverwaltung und musste sich dann in den Jahrzehnten dem technologischen und gesellschaftlichen Wandel immer wieder neu stellen, sich immer wieder neu anpassen. Im Zuge einer Verwaltungsreform der Landesregierung NRW erfolgt die Fusion der Finanzämter Gladbeck und Marl und wird Ende 2007 mit dem Umzug nach Marl vollzogen. Nach mehr als acht Jahrzehnten schließt sich die Tür. Eines der imposantesten Gebäude Gladbecks verliert seine Funktion und seinen Sinn. Das ändert sich auch in den kommenden fünf Jahren nicht. Leerstand und der damit einhergehende Niedergang lassen das einst stolze Gebäude zum Problemfall werden.

Im Sommer 2012 bekommt das Gebäude eine neue Chance. Und wie so oft typisch, ist es die Kreativwirtschaft, die das Gebäude für sich entdeckt. Die Kommunikationsagentur C4C ist, aus Gelsenkirchen kommend, erster neuer Mieter einer Teilfläche im ansonsten leerstehenden Haus. Sie zieht erste, weitere Vertreter der kreativen Branche nach. Mit Respekt vor Geschichte und Charakter und in Anlehnung an eine neu beginnende, kreative Aera wird das Gebäude nun als kreativAmt bezeichnet und seitdem unter dieser Marke geführt.

Die Neubesetzung war auch Startpunkt einer umfassenden Revitalisierung, die nur für kurze Zeit vom Eigentümer, den Bau und Liegenschaftsbetrieben des Landes NRW, unterbrochen wurde, um über eine Versteigerung neue Eigentümer für das Gebäude zu finden. Mit dem privatwirtschaftlichen Erwerb des Gebäudes durch die Erstmieter des Hauses im Herbst 2015, war auch diese kurze Episode beendet. Jetzt war der Weg frei für eine neue Nutzung.

Mit Respekt vor der Historie: Alter Raum kreativ revitalisiert

Ein beeindruckendes, stolzes Gebäude. Imposant und imponierend, mit ganz eigenständigem Charakter und einem dominanten, aber liebenswerten Charme. Im Einklang mit dem Ensemble des Jovyplatzes zu Recht das imagebildende Stadteingangstor Gladbecks, einer typischen Ruhrgebietsstadt, die auf Kohle geboren nahezu parallel zur Geburt der Gebäude auch ihre Stadtrechte erhielt. Gut eingebunden in eine selbstbewusster werdende Metropolregion Ruhr.

Das ist die Substanz, die den Boden für eine gute Zukunft bereitet. Die Marke kreativAmt steht für die Vision einer neuen, kreativen und positiven Interpretation und für den gebotenen Respekt vor dem, was historisch war.

Rund 2.600 qm Bürofläche in einem zentral erschlossenen, historischen Gebäude. Konzipiert für die Bedürfnisse und die Nutzung durch nur einen Mieter. Im Wettbewerb mit einer jungen Generation funktionaler, barrierearmer Bürogebäude in den umliegenden Hotspots der Metropolregion kann „die alte Dame Finanzamt“ da kaum mehr mithalten. Es sei denn, das neue Konzept kombiniert die vorhandenen Begabungen des Gebäudes mit den Interessen und Erwartungen spezieller Nutzer. Die neue Zielgruppe sind kleine und kleinste Unternehmen. Sie schätzen und leben den community Gedanken, mögen das Persönliche und Nahe. Profitieren von den Vorteilen flexibler Raumlösungen, flexiblen Verträgen und den „shared Facilities“. Unternehmen vor allem, die den Charme und die Persönlichkeit eines Gebäudes mit einer sehr individuellen Geschichte an einer sehr eigenständigen Adresse lieben.

Das kreativAmt beheimatet heute rund 35 solcher Unternehmen. Nimmt man alle beschäftigten Mitarbeiter hinzu, kommt das Gebäude den historischen Bewohnerzahlen wieder sehr nahe. Bis zum letzten Quadratmeter sind alle Flächen vermietet, beheimaten heute zeitgemäße und kreative Dienstleistungen. Stetige Anfragen und eine Warteliste zeugen aktuell von der neuen Beliebtheit der „alten Dame“ am Jovyplatz. Vom Gebäude und seinen kreativen Mietern gehen heute wieder Impulse in die angrenzenden Stadtquartiere aus. Diese allerdings sind gänzlich anderer Natur, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

 

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Die Timeline

1823

Vor rund 200 Jahren ist das Gebiet rund um den heutigen Jovyplatz unbebautes Weideland und dient zur allgemeinen Nutzung durch die Bürger der Siedlungsgemeinschaft Gladbecks.

1908

Entwicklungen im städtischen Bereich. Die Bebauung in Gladbeck nimmt zu.

1917

Im Zuge des maßgeblich durch den Kohlebergbau bedingten Aufschwungs der westfälischen Dorfgemeinde Gladbecks setzt zur Jahrhundertwende rege Bautätigkeit ein. 1917 wird das Amtsgericht errichtet.

1918

Die preussische Bezirksregierung setzt Dr. Michael Jovy als Amtsmann der größer werdenden Gemeinde Gladbeck ein.

1919

Gladbeck erhält Stadtrechte, Dr. Michael Jovy wird erster Oberbürgermeister.

1922

Unter der Regie von Dr. Jovy wird das Polizeiamt fertiggestellt.

1923

Das Finanzamt wird fertiggestellt und vervollständigt jetzt, so wie von Jovy geplant, das Gebäudeensemble aus Amtsgericht, Polizeiamt und Finanzamt.

1932

Dr. Michael Jovy verstirbt im Dezember des Vorjahres im Alter von nur 49 Jahren. Die Stadtversammlung benennt den Platz in „Jovyplatz“, in Gedenken an den ersten Oberbürgermeister der Stadt und in Würdigung seiner Verdienste auch um die Bebauung, die er maßgeblich vorangetrieben hat.

1985

Das Gebäude Jovyplatz 4, seit 1923 Finanzamt der Stadt, wird unter Denkmalschutz gestellt.

2007

Die Landesregierung beschließt eine Konzentration der Finanzverwaltungen. Das Finanzamt Gladbeck wandert nach Marl. Das Gebäude wird leergezogen. Es folgt ein fünfjähriger Leerstand.

2012

Die Kreativagentur C4C Competence for Communication GmbH, bemüht sich um eine Anmietung von Büroflächen im Gebäude. Erfolgreich. C4C ist nach Auszug der Finanzverwaltung erster Mieter. Weitere Mieter, zunächst aus der Kreativwirtschaft, ziehen schnell nach.

2015

Die Bau- und Liegenschaftsbetriebe des Landes NRW (BLB) Eigentümerin des Gebäudes, veräußert das Gebäude in einem aufwendigen, mehrstufigen Versteigerungsverfahren. Zum Zuge kommen drei im Gebäude ansässige Mieter.

2016

Das Gebäude wird im Folgenden unter dem Markennamen „kreativAmt“ geführt. Eine Reminiszenz an die Strenge und Dominanz der ehemaligen hoheitlichen Verwaltung einerseits und die Revitalisierung durch die ersten Mieter aus der Kreativwirtschaft andererseits. Zug um Zug wird das Gebäude revitalisiert. Durch umfassende Sanierungen innen und außen werden in den nächsten Jahren die Voraussetzungen für die Vermietbarkeit hergestellt.

2023

Das Gebäude Jovyplatz 4 wird 100 Jahre alt. Nach rund einem Jahrzehnt des privat- und kreativwirtschaftlichen Wirkens ist das heutige kreativAmt wieder komplett vermietet und Heimat von rund 40 meist jungen, meist kleineren Unternehmen und Institutionen, die hier mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigen. Die kreativAmt Community liefert aktive, immer wieder auch kreative Impulse, die weit über das Gebäude und das Stadtquartier hinausreichen.